Kritischer Bildungskreis startet mit der ersten Aktion, der Handreichung und der Fortbildung „kritisch DENKEN LERNEN!“! Warum?

,,Die Stabilitiät westlicher Demokratien resultiert aus einer endlich erreichten Verschmelzung von nationaler Identität und freien Regimes, so dass heute atlantische Länder stolz darauf sind, eine demokratische Zivilisation zu teilen.“

Taylor, 1994, Die Debatte zwischen Liberalismus und Kommunitarismus.

,,Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik sagen, dass all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden […] Erst im Nachhinein hat sich in vielen Fällen die Haltung der Deutschen verändert. Ich finde es auch vernünftig, dass sich die Bevölkerung das Ergebnis einer Maßnahme erst einmal anschaut und dann ein Urteil darüber bildet. Ich glaube, das ist Ausdruck des Primats der Politik. Und an dem sollte auch festgehalten werden.“

Merkel, 2010, Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

In den letzten Jahren kann eine zumindest partielle gesellschaftliche Spaltung zwischen vehementer und teils vernichtender Staats-, Wissenschafts- und Medienkritik (Agamben, 2020; Aigner, 2021; Czycholl, 2021, S. 81-131; Debionne, 2020Lütge, 2021; Rainer, 2022; Skambraks, 2021; Welt, 2022) und einem Grundvertrauen in staatliches Wohlwollen und wissenschaftliche, wie auch journalistisch gut gemeinte Objektivität (dbb, 2020; Jakobs et al., 2021; Niehues et al., S. 35; Weber, 2021; WiD, 2020; ) beschrieben werden.

Vor allem die Klimakrise (Habibi-Kohlen, 2019, S. 30) und die geopolitischen Turbulenzen, die in Verbindung mit Trump-Regierung (Ciot & Ghidiu, 2020, S. 25; Dethlefsen, 2021, S. 29f.; Lemke, 2018, S. 305; Mazur, 2020, S.9), ‚Putins-Russland‘ (Dembinski & Polanski, 2020, S. 3) und Covid-19 (Brunner et al., 2021, S. 11; Hamann, 2020, S. 2ff.; Kapusta, 2022, S. 109; Paque, 2020, S. 218f.; Weber et al., 2022, S. 333) aufgetreten sind, haben den alten gesellschaftlichen Diskurs über die Spaltung und die Deutungsautorität gegenüber der Wirklichkeit massiv verstärkt. Die damit zusammenhängenden Narrative und politischen Handlungen gestalten das öffentliche Leben. Wer zu wissen meint, was ‚objektiv wahr und gut‘ ist, definiert unweigerlich das ‚Üble und Falsche‘.

Doch ein in Verbindung mit Wissenschaft, Politik und Medien erhobener Anspruch auf dieses ‚Gute und Wahre‘ entfaltet ein Machtstreben, welches in einer freien und demokratischen Gesellschaft kritisch reflektiert werden muss. Auch wenn der amtierende Bundeskanzler (Scholz) das „Herbeireden“ einer gesellschaftlichen Spaltung als Gefährdung des nötigen Zusammenhalts ansieht (FAZ, 2022), können die medial aufbereiteten Pandemien, Kriege oder sonstige Krisen zumindest in einer demokratischen Gesellschaft kein Vorwand sein, um eine kritische Reflexion zu unterbinden und unmittelbare politische Handlungen zu erzwingen.

Die Kritik an solch einem Machtstreben erscheint um so notwendiger gerade im Hinblick auf die Überzeugung einer Alternativlosigkeit und vor allem kulturellen und moralischen Überlegenheit (Römpp, 2022, S. 7) und Einzigartigkeit (Brock, 2018, S. 277) des westlichen Gesellschaftsmodells aufgrund des gebotenen Lebensstandards, Fortschritts, Friedens und der Sicherheit (Brock, 2018, S. 1; Miliopoulos, 2007, S. 230).

Das westliche Gesellschaftsmodell wird hier als die sogenannte „Atlantische Zivilisation“ (Miliopoulos, 2007, S. 34) verstanden, welche den Begriff „der Westen“ zusätzlich zu kulturellen Gemeinsamkeiten der „einen Welt“ geografisch und wirtschaftlich präzisiert (a.a.O., S. 49 ff.). Dieses Gesellschaftsmodell bedarf einer intensiven Selbstreflexion, um nicht in der eigenen Überhöhung fragwürdige Entwicklungen zu übersehen, die nichts mit freiheitlichen Idealen zu tun haben.

Somit wird vom Gründer des Kritischen Bildungskreises die Notwendigkeit einer Bildungsinitiative gesehen, die sich grundsätzlich auf die Ausbildung eines fundierten, auf die ‘westlichen Strukturen’ gerichteten, gesellschaftskritischen Denkens fokussiert. Solch ein kritisches Denken soll der gesellschaftlichen Spaltung, sowie dem wissenschaftlichen, politischen und medialen Machtstreben entgegen wirken und die BürgerInnen zur kritischen Reflexion ermächtigen, die abseits von polemischen und affektiven Protestaktionen liegt.

Die Kritik an dem eher kollektivistisch geprägten ‚östlichen Modell‘ und seinen gesellschaftlichen Realitäten ist selbstverständlich ebenfalls notwendig. Sie soll allerdings nicht Teil der geplanten Bildungsinitiative sein.

Die theoretische Basis für die Förderung des auf die Gesellschaftsstrukturen gerichteten sachlich-kritischen Denkens soll die Tradition der Gesellschaftskritik, die Kritische Theorie und ihre Weiterentwicklung bieten.